Meningitis: Erreger, Verlauf, Diagnostik und Therapie

Meningitis: Erreger, Verlauf, Diagnostik und Therapie
Meningitis: Erreger, Verlauf, Diagnostik und Therapie
 
Die Meningen sind Häute, die das Gehirn und das Rückenmark umschließen und beschützen. Bei einer Meningitis handelt es sich um die Entzündung dieser Hirnhäute. Als Erreger einer Hirnhautentzündung kommen Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze in Betracht. Die bakterielle Meningitis kommt am häufigsten vor und zeigt den schwersten Krankheitsverlauf, der auch tödlich enden kann. Die Krankheitssymptome sind je nach Erregertyp unterschiedlich ausgeprägt und reichen von Abgeschlagenheit, Frösteln, leichtem Fieber und Kopfschmerzen bis hin zum voll ausgeprägten Krankheitsbild mit heftigsten Kopfschmerzen, hohem Fieber, Erbrechen, Berührungs-, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit und schmerzhafter Nackensteifigkeit. Zur Therapie werden hoch dosierte Antibiotika eingesetzt.
 
 Die Meningen
 
Die Meningen (Singular: Meninx) oder Hirnhäute (auch Gehirnhäute genannt) sind Schutzhüllen aus Bindegewebe, die Gehirn und Rückenmark der Wirbeltiere (und somit auch des Menschen) umhüllen. Die äußere harte Hirnhaut (Dura mater) ist im Schädelbereich fest mit dem Knochen verwachsen. Die weiche Hirnhaut (Leptomeninx) ist von der harten Hirnhaut durch einen engen, flüssigkeitsgefüllten Spaltraum getrennt. Die Leptomeninx selbst besteht aus zwei locker miteinander verbundenen Schichten: aus der Spinnwebenhaut (Arachnoidea) und aus der Pia mater (lateinisch friedliche Mutter) genannten Schicht. Zwischen diesen beiden Schichten bleibt viel Platz frei, der mit der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) gefüllt ist. Diese Zerebrospinalflüssigkeit schützt das Gehirn vor Stoß und Druck von außen. Zu diagnostischen Zwecken kann die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit mithilfe der Lumbalpunktion vom Rückenmark entnommen werden. Bei einer Meningitis wird dies zur Bestimmung des Erregers durchgeführt.
 
 Die Meningitis und das Sammelsurium der Krankheitserreger
 
Als Meningitis wird die Entzündung der Meningen bezeichnet. Die Entzündung kann durch Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze, aber auch durch Strahlenexposition oder Sonnenbestrahlung ausgelöst werden. Deshalb ist es nicht sinnvoll, verallgemeinernd von der Meningitis zu sprechen, da sich je nach Krankheitsauslöser ganz unterschiedliche Verläufe der Meningitis ergeben und da sich auch die Behandlungsmethoden unterscheiden. Man unterteilt die verschiedenen Formen der Meningitis in:
 
1a) Die bakterielle eitrige Meningitis wird meistens durch eitrige Prozesse im Kopfbereich (Sinusitis — Vereiterung der Nebenhöhlen; Otitis — Entzündungen des Ohres) ausgelöst (fortgeleitete Meningitis). Zu den bakteriellen Erregern gehören Meningokokken (Neisseria meningitidis), Staphylokokken, Pneumokokken, Haemophilus influenzae, E. Coli, Proteus, Pseudomonas, Salmonellen, Klebsiella und andere Bakterien. Bei der eitrigen Meningitis sammelt sich der Eiter hauptsächlich über den Großhirnhälften an.
 
1b) Die bakterielle nicht eitrige Meningitis ist in der Regel eine Begleitmeningitis einer infektiösen Allgemeinerkrankung wie beispielsweise Borreliose, Brucellose oder Tuberkulose.
 
2a) Die virale abakterielle Meningitis wird durch Coxsackie-Viren, ECHO-Viren, Poliomyelitis-Viren, das Mumpsvirus, Adenoviren und andere Viren ausgelöst. Die virale Meningitis verläuft meistens weniger heftig als die anderen Formen.
 
2b) Als Erreger der Protozoen-Meningitis kommt beispielsweise Toxoplasma gondii infrage.
 
2c) Als Erreger der Pilz-Meningitis kommen Cryptococcus neoformans, Coccidioides immitis, Actinomyces und andere infrage.
 
2d) Als physikalische Einwirkungen können ionisierende Strahlen oder extreme Sonnenexposition eine Meningitis hervorrufen.
 
 Symptome
 
Die Vielzahl der Erreger führt zu großen Unterschieden im Krankheitsbild. Bei den bakteriellen Infektionen setzen die Symptome normalerweise sehr schnell ein, und aus einem zunächst harmlos wirkenden Infekt kann sich innerhalb weniger Stunden ein schweres Krankheitsbild mit hohem Fieber entwickeln. Der Verlauf der bakteriellen Meningitis ist oft schwer und endet ohne Behandlung nicht selten tödlich. Die viralen Formen der Meningitis sind i. Allg. wesentlich harmloser.
 
In vielen Fällen beginnt die Meningitis mit einem Vorläuferstadium von wenigen Stunden oder Tagen, in dem sich die Erkrankten matt und abgeschlagen fühlen, frösteln und über Kopf- und Gliederschmerzen klagen. Die Temperatur ist leicht erhöht. Die Entzündung der Hirnhäute führt später zu einem Symptomenkomplex, der als meningeales Syndrom (auch: meningeales Reizsyndrom oder Meningismus) bezeichnet wird. Dazu gehören heftige Kopfschmerzen, Erbrechen, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit und schmerzhafte Nackensteifigkeit. Die Haut ist vor allem am Rumpf so empfindlich, dass schon leichte Berührungen starke Schmerzen auslösen. Das Bewusstsein ist getrübt und die Temperatur auf 39º bis 40º C erhöht.
 
 
Zur Diagnose der Meningitis können einfache körperliche Reaktionen herangezogen werden (Brudzinski-, Kernig-, Lasègue-Zeichen). Wenn beispielsweise der Kopf eines auf dem Rücken liegenden Patienten nach vorne angehoben wird, zieht dieser, falls Meningitis vorliegt, in einer Reflexbewegung die Beine an (Brudzinski-Zeichen). Um den Erreger festzustellen, muss die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) entnommen (üblicherweise durch Lumbalpunktion) und untersucht werden.
 
 
Um an Meningitis erkrankte Patienten behandeln zu können, muss als Erstes der Erreger identifiziert werden. Danach geht man gegen Bakterien mit hoch dosierten Zweier-, Dreier- oder Viererkombinationen von Antibiotika vor. Ca. 80 % der üblichen Keime sind bei Erwachsenen durch Penizillin gut behandelbar. Bei fortgeleiteter Meningitis muss der Krankheitsherd sofort operativ ausgeräumt werden. Parallel zu diesen Maßnahmen müssen die Kontaktpersonen des Patienten klinisch überwacht werden. Die viralen Formen der Meningitis verlaufen sehr milde und heilen ohne Behandlung folgenlos aus.
 
Wenn die Behandlung der bakteriellen Meningitis rechtzeitig einsetzt, gibt es gute Heilungschancen. Nach dem Abklingen der akuten Beschwerden leiden die Patienten oft noch einige Wochen bis Monate an Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit und Schwindel.
 
Als Dauerschäden können vor allem bei Kleinkindern Hör-, Seh-, und Konzentrationsstörungen zurückbleiben. Ein möglicher Folgeschaden ist ein Hydrozephalus (Wasserkopf), der auf zu hohen Druck der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit zurückzuführen ist.
 
 Die Meningokokken-Meningitis
 
Im Frühjahr 2001 haben einige Fälle dieser besonders aggressiven Art der Meningitis (mit einer Sterblichkeitsrate von ca. 10 %) in der Presse für Schlagzeilen gesorgt. Die Krankheit war bei mehreren Jugendlichen über ganz Deutschland verstreut ausgebrochen und hat auch Todesopfer gefordert. Der Erreger der Meningokokken-Meningitis ist das Bakterium Neisseria meningitidis. Dieses Bakterium kommt bei 5 — 10 % der Bevölkerung im Nasen-Rachen-Raum vor, ohne Krankheiten auszulösen. Wenn es allerdings auf einen Menschen mit schwächer entwickeltem Immunsystem trifft, oder wenn sich das Immunsystem des Keimträgers verschlechtert, kann die Krankheit ausbrechen.
 
Neisseria meningitidis wird durch Tröpfcheninfektion (Husten, Niesen aber auch durch Küssen) übertragen, sodass die kalte Jahreszeit, in der sich die Menschen hauptsächlich in Räumen aufhalten und häufig unter Erkältungskrankheiten leiden, die bevorzugte Zeit für Ansteckungen ist. Ca. 40 % aller Fälle entfallen auf das erste Quartal. In den Industrieländern tritt die Meningokokken-Meningitis statistisch betrachtet mit ca. vier Fällen pro 100 000 Einwohner auf. Wegen der Schwere der Krankheit ist diese meldepflichtig. 1999 wurden in Deutschland 718 Fälle registriert, 2000 waren es 757.
 
 Die FSME
 
Die FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) ist keine Meningitis im engeren Sinne, doch kann das zweite Stadium der Erkrankung sich als solche manifestieren. Die FSME wird durch Zecken (Ixodes ricinus, Holzbock) übertragen, die mit dem FSME-Virus infiziert sind. Da die Aktivität der Zecken im Frühsommer am ausgeprägtesten ist, tritt die Krankheit um diese Jahreszeit am häufigsten auf.
 
Die FSME-Viren, die zu den Togaviren gehören und RNA als Erbmaterial besitzen, sind die eigentlichen Krankheitserreger. Diese Viren befallen beim Menschen hauptsächlich den Hirnstamm und die motorischen Vorderhornganglienzellen.
 
Die FSME ist in Deutschland fast ausschließlich in Baden-Württemberg und Bayern verbreitet. Vereinzelte Fälle sind aus Hessen und Rheinland-Pfalz bekannt und die nördlicheren Bundesländer scheinen FSME-frei zu sein. Weiterhin führt nicht jede Infektion zum Vollbild der Erkrankung: Die meisten Fälle verlaufen unspektakulär und oft unerkannt als grippale Allgemeinerkrankungen ab und nur in ca. 10 % der Fälle kommt es zu Erkrankungen des Zentralnervensystems mit teilweise heftigen Symptomen. Die statistische Wahrscheinlichkeit, in einem Risikogebiet an FSME zu erkranken, liegt zwischen 1:500 und 1:5000. Dann allerdings kommt es in 1—2 % der Fälle zum Tode des Patienten und in 7 % der Fälle zu bleibenden Schäden.
 
In ihrem Verlauf ähnelt die FSME der Poliomyelitis (Kinderlähmung), mit der sie gelegentlich verwechselt wird. Sie verläuft in zwei Stadien: Nach einer Inkubationszeit von ein bis zwei Wochen kommt es zum ersten Stadium mit einem drei bis fünf Tage anhaltendem Fieber und Kopf- und Gliederschmerzen. Darauf folgt ein ein- bis zweiwöchiges beschwerdefreies Intervall, das von dem zweiten Stadium der Krankheit abgelöst wird. Das zweite Stadium der Krankheit kann in fünf verschiedenen Formen ablaufen: als harmloser fieberhafter Infekt, als Meningitis (Hirnhautentzündung), als Meningoenzephalitis (Hirnhautentzündung, die auf das Gehirn übergreift), als Meningomyelitis (Entzündung des Rückenmarks und seiner Häute) und als Meningomyeloenzephalitis (Entzündung der Hirnhaut, des Gehirns und des Rückenmarks)
 
Die reine Meningitis beschränkt sich meistens auf Kopfschmerzen, Fieber und Übelkeit und klingt normalerweise in wenigen Tagen vollständig ab. Die enzephalitischen und myelitischen Formen der FSME führen zu ernsteren Symptomen.
 
Die FSME kann mit Medikamenten bisher noch nicht behandelt werden, es stehen aber Immunglobulinpräparate zur Verfügung, die nach einem Zeckenbiss den Ausbruch der Krankheit wirksam verhindern. Diese passive Prophylaxe muss allerdings innerhalb von vier Tagen nach dem Biss durchgeführt werden, danach ist sie sinnlos. Sie sollte nicht nach jedem Zeckenbiss erfolgen, sondern nur, wenn der Biss in einem Risikogebiet stattfand. Weiterhin ist auch eine aktive Schutzimpfung möglich. Sie ist vor allem für Personen angeraten, die sich in verseuchten Wäldern aufhalten und für Urlauber, die sich in die deutschen Risikogebiete oder nach Österreich, Tschechien, die Slowakei und in die Balkanländer begeben wollen. Die FSME-Schutzimpfung besteht aus drei Teilimpfungen. Die ersten beiden Impfungen im Abstand von 14 Tagen verleihen einen Kurzzeitschutz. Die dritte Impfung nach neun bis zwölf Monaten verleiht einen Langzeitschutz, der alle drei Jahre durch eine Auffrischimpfung verlängert werden kann.
 
 
Hannes Isenberg: Meningitis im Kindesalter und Neugeborenensepsis. Darmstadt 41998.
 
Meningokokken-Meningitis — die «falsche« Krankheit zum richtigen Zeitpunkt?, in: Bundesgesundheitsblatt, Jahrgang 41, Nr. 4, 1998, Seiten 149 ff.
 
Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, bearbeitet von Helmut Hildebrandt u. a. Berlin2581998.
 
Der Gesundheits-Brockhaus, herausgegeben von Stefan Dierkes. Mannheim 51999.
 U. Vogel u. a: Epidemiologie der Meningokokken-Meningitis. Weltweite Ausbreitung eines neuen, virulenten Serogruppe-C-Stammes, in: Deutsches Ärzteblatt, Jahrgang 96, 1999. Seiten 2410-2413

Universal-Lexikon. 2012.

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